Trägervielfalt in der ambulanten Versorgung

Die Versorgungslandschaft im deutschen Gesundheitswesen befindet sich im Umbruch. In der stationären, fachärztlichen und hausärztlichen Versorgung kämpft man verstärkt mit mangelnden Versorgungskapazitäten, die sich nicht nur in der Qualität, sondern auch im entsprechenden Zugang zur Versorgung widerspiegeln. Unser Anspruch an das deutsche Gesundheitssystem und seine Versorgungseinrichtungen (Krankenhaus, vertragsärztliche Praxis und MVZ) ist geprägt vom Wille an hoher Qualität und bedarfsangemessener regionaler medizinischen Versorgung.

Im Zentrum unserer Bestrebung steht daher die Stabilisierung und Verbesserung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungsqualität – auf dem Land, aber auch im urbanen Raum. Dabei wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen zwischen allen Niederlassungsformen wie Arztpraxen und MVZ gewährleisten. 

Hier bieten neben Arztpraxen auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) signifikante Potenziale, die zu verstärkter Ambulantisierung von Versorgungsleistungen beitragen und gezielt Versorgungslücken in strukturschwachen Regionen schließen können. In der Tat erfreuen sich MVZ seit ihrer Etablierung 2004 (GKV-Modernisierungsgesetz) großer Beliebtheit und stellen so auch für Investoren eine interessante Option dar.

Dabei muss jedoch eine strikte Trennung von Renditeinteressen und medizinischer Versorgung stattfinden. Wie jedes privatwirtschaftliche Unternehmen haben investorengeführte MVZ ein hohes Interesse an Kundenzufriedenheit und damit einen aktiven Anreiz die Versorgungsqualität entsprechend hochzuhalten. Fehlgeleitete Behandlungen würden direkt negative Auswirkungen auf die Patientenzufriedenheit bedeuten. Die Sicherstellung des Patientenwohls ist und bleibt zentral im Aufgaben- und Verantwortungsbereich der ärztlichen Leitung. Sie muss ihren Versorgungsauftrag erfüllen können und darf in der freien Ausübung ihres Berufes nicht eingeschränkt werden.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass MVZ, Praxis und BAG für Ärzte/Innen und ihre medizinische Belegschaft die Attraktivität einer Tätigkeit im ambulanten Sektor steigern. Für viele ist ein Arbeitnehmerverhältnis mit geregelten Arbeitszeiten, weniger administrativen Aufgaben und festem Gehalt besser mit den eigenen Bedürfnissen zu kombinieren. Solange Versorgungsleistungen mit hoher Qualität und nachhaltiger Wirtschaftlichkeit erbracht werden, kann die Trägerschaft der entsprechenden Einrichtung nur von nachgeordneter Bedeutung sein. Unser Ansinnen ist es, die Versorgung nachhaltig zu gestalten. Dementsprechend wollen wir sinnvolle Bedingungen und Anreize schaffen, um Investitionen auch langfristig in der ambulanten Versorgung zu halten. Hierzu muss auch eine Liberalisierung des Kreises an Personen und Institutionen mit Gründungsbefugnissen für MVZ diskutiert werden.

Im Verbund mehrerer Versorgungsstrukturen in der Hand eines Trägers, ungeachtet seiner Rechtsform und Eigentümerschaft, ist dabei zu beachten, dass die Steuerung von Patienten ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen stattfindet.

Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung der MVZ-Strukturen sind klar formulierte Regeln und Rahmenbedingungen, die die unabhängige medizinische Versorgung sicherstellen, nachhaltige und langfristig orientierte Versorgung gewährleisten und ein hohes Maß an Transparenz schaffen. So stärken wir die ärztliche Leitung weiter und geben ein klares Bekenntnis zu den Vorgaben der ärztlichen Berufsordnung.

1. Transparenz

Wichtig ist uns Bürger:innen in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen zu treffen. Grundvoraussetzung ist hier der Zugang zu Informationen. Deshalb setzen wir uns für mehr Transparenz ein, in dem jeder Betreiber eines MVZ, ungeachtet der Trägerschaft, den ärztlichen Leiter und die Eigentümerverhältnisse des MVZ, sowie der MVZ-Betreibergesellschaft dargelegt werden muss. Zugelassene MVZ sind in die Vorschriften über das Arztregister aufzunehmen sind. Hier sind Name und Rechtsform des Trägers, sowie des ärztlichen Leiters zu hinterlegen.

2. Wissenschaftliche Validierung

Kritik wird unter anderem dadurch konstruktiv, dass sie auf einer validen und fundierten Grundlage basiert. Aktuell liegen jedoch keine empirischen Daten vor, die belastbar ein repräsentatives Bild über die positiven oder negativen Zusammenhänge zwischen Versorgungsqualität und MVZ-Trägerschaft darstellen können. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen und entsprechende wissenschaftliche Studien auf den Weg zu bringen, bevor Normierungen jeder Art vorgenommen werden können. Das ist eine Grundmaxime evidenzbasierter Politik und damit für unsere Entscheidungsfindung unabdingbar. Außerdem ermöglicht die faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema die Etablierung von validen Qualitätssicherungsmechanismen. Hier müssen in einem ersten Schritt sinnvolle Indikatoren gefunden werden, die die Patientenversorgung weiter verbessern.

3. Langfristige ambulante Versorgung sicherstellen

Unser Ziel ist eine nachhaltige, bedarfsgerechte und hochqualitative Versorgung in der Stadt und auf dem Land. Dazu gehört auch, dass Investitionen in Versorgungsstrukturen uneingeschränkt möglich sind, solange sie an diesem Ziel orientiert und entsprechend langfristig angelegt sind. Diesbezüglich setzen wir uns  auch für eine regelmäßige Bewertung durch ein Expertengremium (beispielsweise den GB-A) ein, welche validieren soll, dass ein gewisser (durch das entsprechende Gremium festzusetzender) Anteil an Grundfachärztlicher Versorgung verpflichtend von den MVZ vorgewiesen wird. Ausgenommen sind im letzten Punkt diagnostische Disziplinen und spezialisierte Therapiezentren für chronisch Erkrankte. Weitere Abweichungen von der Erfüllung des Versorgungsauftrages sollten nur mit Zustimmung des Zulassungsausschusses basierend auf klar definierten Regeln und orientiert an außerordentlichem Bedarf möglich sein. Solange es der regionalen Sicherstellung der ambulanten Versorgungsstabilität dient, bedarf es im Sinne der Versorgung darüber hinaus keiner räumlichen Begrenzung des Gründungsbefugnisses der MVZ-Träger.

4. KV-Sitzvergabe

Die im Zuge der MVZ-Regulation häufig aufkommende Debatte um eine übermäßige Verknappung der KV-Plätze scheint Licht auf ein lange vernachlässigtes und wenig beachtetes Problem: Der aktuelle Status Quo zeigt ein klares Defizit und den deutlichen Bedarf nach mehr medizinischem Fachpersonal – speziell in der Ärzteschaft. Dennoch sind Plätze für die niedergelassene Ärzteschaft weiterhin begrenzt. Die Zeit, in der eine Limitierung der KV-Sitzvergabe aufgrund der Ärzteschwemme der 1980er notwendig war, gehört der Vergangenheit an. Folgerichtig schließt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer solchen Deckelung an. Wir setzen uns daher für die Überprüfung der KV-Sitzvergabe und eine mögliche Aufhebung der Limitation, insbesondere im ländlichen Raum ein, um die Attraktivität des Arztberufes weiter zu verstärken.

5. Förderung von Innovationsorientierten MVZ

Für MVZ, deren Aktivitäten nachweislich auf die Verbesserung der Forschung bzw. die Entwicklung oder Verbesserung innovativer Versorgungsprozesse ausgerichtet sind, sind die bestehenden bürokratischen Hürden unverhältnismäßig hoch im Verhältnis zum gesamtgesellschaftlichen Mehrwert, den sie hervorrufen. Diese Fortschrittstreiber wollen wir nachhaltig fördern und so den Innovationsstandort Deutschland attraktiver machen. Hierzu setzen wir uns für die Etablierung einer neuen Kategorie der „Forschungs- und Innovations-MVZ“ (FIMVZ) ein. Insbesondere die hohen Anforderungen bei der Gründung von MVZ limitieren Innovationspotenziale und verhindern potenziell Fortschritt. Für die FIMVZ soll daher auch die Gründung von MVZ ohne die Trägerschaft eines Krankenhauses ermöglicht werden. Maßgebliche Voraussetzung hierfür ist und bleibt die nachgewiesene Innovationsorientierung der Institutionen, auch um etwaige Missbrauchsbestrebungen zu verhindern.